Spektakuläre Entdeckung: Uralte »Erden« um fremde Sonne aufgespürt
Andreas von Rétyi
Eine internationale Forschergruppe unter Leitung von Astronomen der Universität Birmingham meldet aktuell die Entdeckung eines ganz besonderen Planetensystems: Um den sonnenähnlichen Stern Kepler-444 stießen sie gleich auf fünf erdähnliche Planeten. Doch damit nicht genug – der Stern ist mehr als doppelt so alt wie unsere Sonne. Ein erster und wichtiger Beleg dafür, dass sich Planeten vom »Typ Erde« als kosmische Heimatstätten des Lebens bereits sehr früh im Universum entwickeln konnten. Und das ändert vieles.
Das System Kepler-444 ist ungewöhnlich alt. Es wurde vor rund 11,2 Milliarden Jahren in einer interstellaren Urwolke unserer Galaxis geboren, vielleicht sogar noch früher. Nach althergebrachter Ansicht aber gab es zu jener Zeit noch nicht genügend schwere Elemente, die vor allem für die Entwicklung felsiger, erdartiger Planeten eine wichtige Zutat sind.
Während der Anfänge des Universums, das zumindest nach etablierter Vorstellung aus einem gigantischen »Urknall« hervorging, bestand die Materie vorwiegend aus Wasserstoff und Helium.
Alles, was schwerer ist – und in der Astronomie als »Metalle« angesprochen wird – musste erst im Inneren massereicher Sterne synthetisiert und per Supernova-Explosion in den Galaxien verstreut werden, um die primordiale Mixtur anzureichern.
Unsere Sonne ist nach allgemeiner Auffassung noch keine fünf Milliarden Jahre alt und stammt somit aus einer Zeit, in der die galaktischen Urwolken bereits ausreichend schwere Elemente enthielten, also »staubig« genug waren, um die Planetenentstehung zu begünstigen. Doch bei alten Sternen, die sich durch eine nur geringe »Metallizität« im Spektrum verraten, vermutete man kaum Planeten.
Aktuellere Beobachtungen belehren die Forscher eines Besseren. Offenbar gab es schon sehr früh in der Galaxis das nötige Rohmaterial für die »Produktion« terrestrischer Planeten. Eine internationale Gruppe von Fachleuten unter Leitung von Forschern der Universität Birmingham hat nun das bislang älteste bekannte Sonnensystem mit erdgroßen Planeten aufgespürt.
Insgesamt sogar fünf solcher Welten konnten sie um den rund 117 Lichtjahre entfernten, sonnenähnlichen Stern Kepler-444 im Sternbild Leier identifizieren. Was allein bereits in relativ
großer Sonnennähe an Planeten gefunden wurde, lässt klar darauf schließen, dass solche Systeme keine Seltenheit sind.
Die fünf neu entdeckten Planeten dürften allesamt sogar etwas kleiner als unsere Erde und im Größenbereich zwischen Merkur und Venus angesiedelt sein. So spiegelt dieser fremde Planetenreigen zu einem gewissen Grad unser inneres Sonnensystem wider. Demgegenüber beinhaltet das System um Kepler-444 allerdings einen Planeten mehr.
Außerdem liegen diese Welten allesamt wesentlich näher an ihrem Heimatstern und benötigen weniger als zehn Tage für einen vollständigen Umlauf um ihn. Selbst die siderische Umlaufzeit des sonnennächsten Planeten Merkur ist mit 88 Tagen deutlich länger.
Entscheidend aber ist und bleibt das hohe Alter von Kepler-444, eines Sterns in der alten Population der »dicken galaktischen Scheibe«. Dieses System ist über doppelt so alt wie das unsrige. Noch vor Kurzem hätte niemand dort Planeten erwartet, schon gar nicht terrestrische Planeten.
Doch in den vergangenen Jahren hat sich das Bild deutlich gewandelt. Bereits im Jahr 2010 stießen Astronomen auf ein Planetensystem um den metallarmen Stern HIP 13044 – eine etwa neun Milliarden Jahre alte Sonne in rund 2300 Lichtjahren Distanz. Ein anderer bedeutender Fund war der 375 Lichtjahre entfernte HIP 11952 im Sternbild Walfisch. Dieser Stern ist sogar 12,8 Milliarden Jahre alt, und trotzdem: Auch er wird von Planeten umkreist. Soweit bekannt, handelt es sich um
zwei Riesenplaneten.
Und jetzt schließlich folgt die faszinierende Meldung einer ganzen Reihe terrestrischer Welten um eine ebenfalls beeindruckend alte Sonne. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr wurde der bislang älteste bekannte Stern entdeckt, SM0313. Diese nur rund 6000 Lichtjahre entfernte Sonne bringt es auf 13,6 Milliarden Jahre, ein stellarer Methusalem.
Mittels der Asteroseismologie zeichneten die Planetenentdecker natürliche Schwingungen von Kepler-444 auf, die zu minimalen, Helligkeitsschwankungen führen. Aus solchen Variationen lassen sich Durchmesser, Masse und auch Alter eines Sternes herauslesen, so erläutert Saskia Hekker, Leiterin einer besonderen Forschungsabteilung am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen. Die Wissenschaftler dort haben sich auf das Alter von Sternen sowie die galaktische Evolution spezialisiert und wesentlich zur aktuellen Studie beigetragen.
Das Datenmaterial stammt vom Kepler-Weltraumteleskop, das jenes uralte System über einen Zeitraum von vier Jahren immer wieder anpeilte. Gestartet im Jahr 2009, beobachtete das Satelliten-Teleskop beinahe 200 000 Sterne innerhalb eines Himmelsareals zwischen den
Sternbildern Leier und Schwan.
Die Instrumente waren auf charakteristische Helligkeitsveränderungen »dressiert«, winzige Abschwächungen des Lichts, diesmal ausgelöst durch Planetentransite vor den hellen Sternscheiben. Und sie wurden fündig. Die Hauptmission brachte rund 3000 Planetenkandidaten zutage, die Zahl der »Super-Erden« geht dabei mittlerweile bereits in die Hunderte. Die modifizierte K2-Mission setzt die erfolgreiche Planetensuche nun fort.
Was jetzt den neuen Fund um Kepler-444 angeht, dürfte seine Bedeutung kaum zu überschätzen sein. Dass die Planeten erst wesentlich später als ihre Heimatsonne entstanden sind, wird als sehr unwahrscheinlich eingestuft. Und Studienleiter Tiago Campante betont: »Die neue Entdeckung hat weitreichende Folgen für unser heutiges Bild des Universums«, denn sogar erdartige Planeten konnten sich fast zu jeder Ära bilden, selbst vor sehr langer Zeit.
Und Hekker ergänzt: »Wir halten es deshalb für denkbar, dass auch in den frühen Phasen des Universums lebensfreundliche Welten existiert haben könnten.« Alles in allem wächst damit auch die Wahrscheinlichkeit für sehr alte Zivilisationen der Galaxis, während wir wohl eher als kosmische Neulinge gelten dürften.
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Bildnachweis: Tiago Campante/Peter Devine/iastate
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